Bericht
einer Ehrenamtlichen

Seit 2011 gehöre ich zum ambulanten Hospizdienst. In diesen Jahren habe ich sicher schon mehr als 70 Menschen begleitet. Diese Begleitungen waren manchmal nur kurz, andere zogen sich über ein halbes Jahr hin. Die vielen Menschen haben mein Leben verändert und ich möchte keine der Begegnungen missen. So seltsam es klingt, so habe ich doch auch manches mal mit den Patienten von Herzen gelacht.

Ich kam zu einer über 90-jährigen Dame. Sie wusste, dass sie höchstens noch ein viertel Jahr zu leben hatte, wahrscheinlich weniger. Zwei ihrer Kinder wohnten in Berlin, zwei in München. Sie lebte allein in ihrer Wohnung und wollte da auch sterben. Die Pflege und alles drum herum war sehr gut organisiert.

Bei meinem ersten Besuch erzählte sie mir, dass jemand vom Beerdigungsinstitut bei ihr war. Sie hatte sich den Sarg und die Urne ausgesucht und sie beschrieb mir die Bluse, die sie im Sarg tragen wollte in allen Farben und Mustern. Denn wenn sie selber dann so bleich aussähe, sollte wenigstens die Bluse schön bunt sein. Plötzlich fragte sie mich: 

Aber sagen Sie mal, was trägt man im Sarg? Rock oder Hose?

Sie wollte dann von mir wissen, wie es weitergeht, wenn sie mal über Nacht stirbt. Ich erklärte ihr, dass der Pflegedienst sie ja dann findet. Die wissen Bescheid. Das Beerdigungsinstitut holt sie dann ab und ziehen sie so an, wie sie es wollte. Sie machen sie auch ganz hübsch und schminken sie auch (das war ihr sehr wichtig). Ihre Kinder können sich ganz in Ruhe in einem schönen Raum von ihr verabschieden. Und dann wird sie in ein Krematorium gebracht. Da meinte sie: „Ich wusste gar nicht, dass ich dann in ein Sanatorium komme.“  Da musste ich einfach lachen. Zuerst schaute sie mich verdutzt an. Ich erklärte ihr den Unterschied zwischen Sanatorium und Krematorium. Darauf hat sie herzhaft mitgelacht.

Es gibt aber auch andere Begegnungen

Ich wurde ins Krankenhaus zu einer Frau gerufen. Man sagte mir, sie sei nicht mehr ansprechbar. Bei solchen Patienten singe ich gern leise. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Singen eher ankommt als Sprechen.

Ich wollte etwas Näheres über diese Frau wissen und es wurde mir gesagt, dass sie ausdrücklich keine geistliche Begleitung wünsche. Ich selbst bin gläubig. Wenn ich dann eine Zeit neben einem Menschen sitze, mit dem ich absolut nicht kommunizieren kann, dann bete oder singe ich. Nicht aufdringlich, sondern leise, so dass der oder die Sterbende eine Stimme hört und weiß, dass sie nicht allein ist.

So habe ich das auch bei dieser Frau gemacht. Nach etwa zwei Stunden habe ich mich von ihr verabschiedet und habe gesagt, dass ich sie gern segnen möchte. Ich hielt meine Hand über ihren Kopf und betete: Der Herr segne dich. Er lasse Sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende Sein Angesicht dir zu und schenke dir Seinen Frieden. Und so segne dich der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.

Irgendwie war ich auch unsicher, ob ich das Richtige tat. Aber in diesem Moment lächelte sie. Es war die erste Reaktion von ihr in zwei Stunden. Das hat mich glücklich gemacht und es zeigt, dass sich die Einstellung eines Menschen, wenn er dem Tod so nahe ist, gravierend verändern kann.

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